Berlin – Gundula Schulze Eldowy

Gundula Schulze Eldowys Bilder sind Heimat. Ihre Fotografien gehören sicherlich zu den ergreifendsten und bedeutendsten Werken der deutschen Fotografiegeschichte. Ihre Bilderserien und Zyklen aus den Jahren 1971-1990 sind zivilisationskritische Meisterwerke von enormer Ausstrahlung. All ihren Bildern ist anzumerken, dass die Fotografin große Empathie für die portraitierten Menschen empfand. Das unterscheidet Gundula Schulze Eldowy wohltuend von der mit ihr oft verglichenen amerikanischen Kollegin Diane Arbus. Während die Arbus nach eigener Aussage “das Böse fotografieren” wollte um die Missratenheit der Welt zu beweisen, berichten die Bilder Gundula Schulze Eldowys sehr anrührend vom Leben und Sterben in einer geschlossenen Gesellschaft. Wir sehen Ost-Berlin, es ist eine öde, verlorene und versunkene Welt. Schonungslos, gar unerbittlich wirken ihre Bilder. überall das Drama der Sterblichkeit, überall in die Welt geworfene Menschen. Neben all dem Handwerk, jenseits von Konzeption und Gestaltung, hat die Künstlerin ein außerordentlich feines Gespür für den großen Augenblick. Das macht die Kraft ihrer Fotografie aus. Alle ihre Bilder haben Würde, weil die abgebildeten Menschen Würde haben. Über diesen Rubikon gehen nur große Fotografen. Ihre Schwarz-Weiß-Aufnahmen sind im Sinne Walter Benjamins frei von jeglichem “kunstgewerblichen Einschlag”. Die Fotografin verdinglicht in ihren Bildern keinen tristen Lokalkolorit, auch ist die große politische Geste nicht ihre Sache. Das Schöpferische in ihren Bildern ist der ungelöste Konflikt vom Leben zwischen Vergeblichkeit und Wirklichkeit. Dieser Konflikt findet sich auch in den Bildern namhafter Kollegen der Fotografin, sei es bei Arno Fischer, Sibylle Bergemann, Helga Paris, Roger Melis und vielen anderen. Die Fotografin steht in der Tradition von Dorothea Lange, Lewis Wickes Hine und Margaret Bourke-White, allesamt sozialdokumentarische Meister, die in dieser Klasse in der zeitgenössischen Fotografie von heute rar sind. Das Berlin der Fotografin existiert nicht mehr, der Prenzlauer Berg ähnelt heute einer Shoppingmall. Verklungen sind die alten Lieder, das Terrain ist in den Händen anderer. Selten sind noch Fotografen wie Harald Hauswald anzutreffen, die einen neuen Film in die Kamera drücken. Dem Leipziger Lehmstedt Verlag ist mit dem Bildband Berlin in einer Hundenacht ein großartiges Stück Fotokunst gelungen, eine Ausstellung mit Fotos aus den Jahren 1977-1990 sind im C/O Berlin zu sehen. (f)